09-10-08
S/Y VAGANT Ursel + Friedel Klee
Kurzbericht
Pago Pago, 27. 9. 1977
Unser Besuch in Papeete, der Hauptstadt der "Polynesie Francaise", begann mit dem Einklarieren. Schlange stehen in 3 Büros, mehrere Quadratmeter Formulare ausfüllen, unzählige Unterschriften leisten, seltsame Fragen beantworten - ein Lehrstück perfekter Bürokratie. Die Beamten waren allerdings freundlich und hilfsbereit.
Dann gingen wir an die Arbeit, denn unser erster Besuch in der Zivilisation seit Panama diente nicht touristischem Vergnügen. Die Wasserpumpe unseres Motors war undicht geworden und hatte den Motorraum gründlich durchfeuchtet. Das bekam der Elektrik, besonders aber dem Anlasser, gar nicht. Durch einen Kurzschluss entlud er unsere Batterien. Wir bemerkten das schon unterwegs, konnten aber nicht mehr tun, als alles ausgeschaltet zu lassen, denn auch die Lichtmaschine mochte nicht mehr recht laden. Noch dazu hatte man uns in Nuku Hiva unter recht merkwürdigen Umständen keinen Brennstoff verkauft. Unser Bestand war so klein, dass wir den Motor nur noch in ganz seltenen Ausnahmesituationen kurze Zeit laufen lassen konnten. Unser Schleppgenerator "Wattas" tat, was er konnte, aber nicht immer reichte die Fahrt für ihn.
In Papeete transportierten wir die Batterien einzeln mit dem Motorrad zum chinesischen Batteriehändler. Sein Urteil: Die sind hin, Sie müssen neue kaufen. Dachte er wohl. Mit Hilfe Pierres, eines amerikanischen Universalgenies, reparierten wir alles Nötige und ließen die Batterien noch mal laden, so lange, wie es die Geduld Yune Tongs eben zuließ - und siehe da: Die guten "Varta's" erholten sich!
So vergingen 14 Tage voller Arbeit. Demontieren, Teile in der Stadt auftreiben, beinahe Passendes passend machen, wieder zusammenbauen, ausprobieren. Johnson Außenbordmotor überholen. Das Nötigste an Verpflegung zu Preisen kaufen, zu denen uns ein gut bürgerliches Restaurant in Deutschland das gleiche fertig zugerichtet servieren würde. - Von der Stadt und ihren Menschen erlebten wir bei alledem genug. Den Appetit auf Papeete's vielgerühmtes Nachtleben verdarb uns der Schock, am hellichten Tage für ein kleines Glas Limonade umgerechnet DM 3 bezahlen zu müssen und dann noch von Freund Bill gesagt zu bekommen, da seien wir wohl an einen billigen Platz geraten. So beschränkte sich der Tourismus auf eine Sonntagsrunde mit dem Motorrad um Tahiti, gewürzt durch hinterher pfeifende Polizei, die sicher gern unsere fehlende Zulassung gesehen hätte. Aber die Ohren werden mit dem zunehmenden Alter ja auch nicht besser, und der nächste Wald mit Blick auf das Meer lud sowieso gerade zu einer diskreten Pause ein . . .
Nach umständlichem Ausklarieren segelten wir am 19. 8. weiter nach Moorea und ankerten in der Opunohu Bay, dem berühmten "Tal der Tränen", wie es die Eingeborenen wegen seiner etwas düsteren Stimmung nennen. Hohe Berge lassen die Sonne erst spät in die Bucht. Das Wasser glänzt dunkel, die tropische Vegetation am Ufer geht über in felsigen Hintergrund mit bizarr spitzen Gipfeln, die zeitweise in den Wolken hängen. Hier blieben wir einige Tage,
fuhren mit dem Motorrad um die Insel, gerieten in eine Hochzeit, besuchten alte polynesische Heiligtümer, klauten Pampelmusen von einem Baum am Ufer und holten unter schwierigen Bedingungen (mit dem Dinghy einen Fluss hinauf) Treibstoff aus der nicht minder berühmten aber mehr bewohnten Nachbarbucht, der "Cook's Bay".
Mit Tahiti und Moorea lernten wir eine neue Art Inseln kennen: hohe Vulkanberge, die rings von einem Riff umgeben sind. Hinein gelangt man durch Pässe, wie in den Tuamotos. Die schmale Lagune zwischen Riff und Felsen ist fast überall sehr tief. 20-40 Meter sind die Regel, jäh bis knapp unter die Wasseroberfläche ansteigende Korallentürme aber ebenso. Unsere nächsten Ziele in den "Iles de la Societe" waren Inseln gleichen Typs. In eineinhalb Tagen segelten wir nach Huahine, 16° 45' Süd, 151° West, ankerten in einer stillen, ringsum abgeschlossenen Bucht, segelten einen Tagestörn weiter zu den von einem gemeinsamen Riff eingeschlossenen Inseln Raiatea und Tahaa, 16° 40' Süd, 151° 30' West, übten in der schmalen Lagune fröhliches Fahrtensegeln zwischen Korallenstöcken, ankerten eine Nacht in einer tiefen Schlucht auf 30 m Wasser, besuchten 25 sm weiter auf Bora Bora, 16° 30' S, 151° 44' W, das Grab des berühmten ersten französischen Einhandseglers Alain Gerbault und ließen uns für einige Tage in der Lagune hinter einer kleinen Insel in einer stillen Bucht nieder, weit von der Hauptinsel, wo der Club Mediterranee geschickt Südsee verkauft.
Bora Bora nimmt für sich in Anspruch, die schönste Insel der Welt zu sein. Wenn das so ist, fehlt uns ein passender Superlativ für Maupiti, 16° 28' S, 152° 16' W, 25 sm weiter westlich. Ein markanter Vulkan, umgeben von einem weiten Ringriff, kaum Touristen, nicht einmal Segler . . .
Als letzte der Iles de la Societe wollten wir Maupihaa-Mopelia 16° 50' S, 154° W anlaufen, ein niedriges Korallenatoll 100 sm weiter westlich. Es liegt so weit abseits, dass selbst die geschäftstüchtigen Kapitäne der Kopraboote nur selten dorthin fahren. Der Pass in die Lagune ist schwierig. Direkt neben ihm verlor Graf Luckner im ersten Weltkrieg sein Schiff durch einen Tsunami (Riesensee durch Seebeben).
Wir schafften es nicht, in die Lagune zu gelangen. Die gewaltige Brandung einer alten hohen Dünung aus Süd deckte den knapp 20 m breiten Pass einfach zu, starker Strom stand aus der Lagune, quer dazu draußen der Passatstrom - ein Hexenkessel. Auf dem Riff an Backbord rostete das Wrack eines kleinen Schiffes, vielleicht eines Koprabootes. An Steuerbord, kaum erkennbar, lagen letzte Reste eines großen genieteten Schiffes. Sie stammen von Luckners Hilfskreuzer, dem letzten Kriegsschiff unter Segeln. Wir gaben auf und gingen auf Nordwestkurs.
Der Weg zu unserem nächsten Ziel, der weit abgelegenen Insel Suvorow, 13° 20' S, 163° 10' W, machte uns zu schaffen. Der 580 sm-Törn begann ganz normal. Mit einem kleinen Bogen nach West vermieden wir Scilly Island, ein niedriges Atoll, das Handbuch und Seekarte als sehr gefährlich bezeichnen. Am späten Vormittag des 3. 9. bezog sich der Himmel von Westen her. Es begann zu regnen und flaute ab. Um 16.30 Uhr MOZ schlug Rasmus zu: in einer knappen halben Stunde brieste es auf 28-30 m/s, also etwa Beaufort 11 auf. Die See folgte im Laufe der nächsten Stunden bis auf etwa 6. Wir ließen uns ohne Segel treiben, brachten Leinen gegen. Brecher aus, belegten die Pinne mit etwas Lose und schlossen alle Luken. Schwere Brecher kamen nicht über, das Boot war allerdings in fliegenden Gischt gehüllt. Sogar den Spalt zwischen Steckschott und Schiebeluke mussten wir verstopfen, weil sonst Wasserstaub eindrang. Vagant trieb ruhig. Am nächsten Morgen flaute der Wind auf 7-6 ab, und wir konnten wieder eine Sturmfock setzen. Mittags wurde es wieder handig.
Mit wechselnden Winden erreichten wir schließlich Suvorow und segelten nach den Kopien von Bernard's (Anm.: Bernhard Moitessier ist der berühmteste Segler der Welt) Karten und Plänen in die Lagune. Wir ankerten hinter einem Motu im Osten Heimat unzähliger geschwätziger Seevögel, nicht weit vom Wrack eines koreanischen Fischtrawlers. Das Schiff liegt mit aufgerissenem Boden platt auf seiner Backbordseite fast 200 m binnenwärts der Riffaußenkante. Es muss bei Hochwasser aufgelaufen sein, denn dann läuft die gewaltige Brandung dort ganz über das Riff - ein grausiges Bild zum Nachdenken.
Hier blieben wir eine Woche, wieder in völliger Einsamkeit. Wir besuchten das Wrack, erkundeten "unser" Motu und das Riff, suchten Muscheln, arbeiteten am Boot und machten einfach mal Pause. Viele Haie unter uns machten Schnorchelexpeditionen recht spannend.
Zum Abschluss besuchten wir auf dem Motu "Anchorage" die verlassene Niederlassung Tom Neale's, eines neuseeländischen Originals, der als Einsiedler viele Jahre dort lebte. - 460 sm weiter kehrten wir in die Zivilisation zurück. Wir erreichten Pago Pago, 14° 16' S, 170° 40' W,
die Hauptstadt American Samoa's auf Tuitila.
Bisher gesegelt 13.255 sm
Papeete, versch. Inseln Suvorow 873 sm
Suvorow - Pago Pago 460 sm
Gesamt 14.588 sm
Tschüß
Ursel + Friedel